27.07.2010: Bericht des Lesezirkels

Unsere letzten beiden Lesezirkel widmeten sich dem Kapitel zwei und drei des Lunyu und damit den großen Themenkomplexen der Politik und der Riten.
Im Vers 2.9. geht es um den Schüler Yan Hui, der mit Kongzi studiert und debattiert, dabei aber nicht sofort Einwände und Bedenken äußert, sondern erst nach reiflichem Überlegen seine Kenntnisse bekannt gibt. Obwohl dieser Schüler auf den ersten Blick beschränkt wirkt, ist sein ganzes Verhalten jedoch von Klugheit geprägt.
Im Vers 2.10. wird erläutert, daß ein Mensch sein Wesen nicht verbergen kann, wenn man seinen mitmenschlichen Umgang, seine Art und Weise ein bestimmtes Ziel zu erreichen und sein Gemüt untersucht.
Die nächsten Verse widmen sich besonders dem Lernen und Wissen. Hier konnten wir verinnerlichen, daß man bei einem Wiederholen alten Wissens und einer immerwährenden Aneignung neues Wissens der Mensch fähig ist, als Lehrer zu wirken (2.11.). Edel und weise ist der, der handelt, bevor er spricht. Damit können leere Worte und Versprechungen vermieden werden (2.13.). Besonders einprägsam ist der Vers 2.15.: Lernen ohne Reflektion führt dazu, daß man betrogen wird; leeres Nachdenken ohne Lernen führt jedoch zur Illusion und zum Aufbau von sogenannten Luftschlössern. Reflektion und Lernen sind also abhängig voneinander und dürfen nicht getrennt voneinander praktiziert werden: Medien, die ohne eigentlichen Kenntnissen Schlagzeilen machen oder Menschen, die Fakten aufnehmen, sich aber keine eigene Meinung bilden, sind Beispiele solcher Handlungen.
Die letzten Verse des zweiten Kapitels behandeln besonders die Rolle des Herrschers und die Funktion von Politik. In Vers 2.19. wird Kongzi gefragt, wann sich ein Volk dem Herrscher unterordnen würde. Darauf entgegnet Kongzi, daß der Herrscher die Aufrechtenn fördern und die Unredlichen übergehen solle. Geschieht das Gegenteil, dann wird sich das Volk auflehnen. Vers 2.20. führt aus, unter welchen Bedingungen ein Volk seinen Herrscher verehrt: Der Herrscher soll sich ernsthaft um das Volk kümmern; er soll seinen Eltern kindliche Pietät entgegenbringen und den Jüngern mit Liebe zugetan sein; er soll die Guten fördern und die Unwissenden lehren. Hier wird besonders deutlich, daß die gesellschaftliche Ordnung im kleinen wie in der Familie auch immer ein Abbild der großen, staatlichen Ordnung ist: Wenn die kleine gesellschaftliche Einheit funktioniert, trifft das auch auf die makrogesellschaftliche Ebene zu- ein zentraler Gedanke im Konfuzianismus. Denn auf die Frage, warum Kongzi nicht im Staatsdienst beschäftigt sei, antwortet er im Vers 2.21., daß er den Eltern Pietät erweist und den Brüdern und Freunden Liebe. Dies genüge, um die Politik zu beeinflußen. Dafür müsse man nicht Beamter sein.

Im dritten Kapitel widmet sich das Lunyu zunächst der Kritik an Verhaltensweisen, die gegen die Riten verstoßen. Beispielsweise gibt es Riten, die eigentlich nur vom Kaiser ausgeübt werden sollten, aber sukzessive auch von anderen Adeligen unerlaubterweise praktiziert werden. Der Verlust von Normen, Werten und angemessenen Verhaltensweisen wird dabei beklagt (z.B. 3.1., 3.2., 3.6.).
Wer die Tugenden der Menschlichkeit (ren) nicht besitzt, kann nichts mit Riten und Musik anfangen. (3.3.). Tiefer Kummer bei einer Trauerfeier ist wichtiger als die Beachtung der Riten und der Umgangformen bei jener Gelegenheit (3.4.). Das korrekte Durchführen von Riten und Umgangsformen ist ein der Menschlichkeit nachgeordnetes Faktum- nur auf Tugend und Menschlichkeit haben Riten und Umgangsformen erst Sinn (3.8.). Gesellschaftliche Regeln und Umgangsformen sollen im mitmenschlichen Kontakt jedoch durchaus beachtet werden (3.7.).
Die beiden letzten von uns besprochenen Verse widmen sich dem Ahnen- und Himmelskult. In Vers 3.12. sagt Kongzi, daß er aus Wertschätzung bei einer Opferung an die Ahnen sich bewußt macht, daß die Ahnen vor Ort seien. Einem Ritual, daß aus Gewohnheit, nicht aber aus innerlicher Anteilnahme durchgeführt wird, erteilt er damit eine Absage.
Im Vers 3.13. stellt Kongzi fest, daß jemand, der sich gegen den Himmel versündigt, auch nicht mehr zum Himmel beten kann. Jedes Gebet hätte seine Sinnhaftigkeit und seinen Nutzen verloren.
Hier entdeckten wir, daß im Lunyu nur im Bezug zum Himmel vom Beten gesprochen wird. Wenn der Ahnendienst erwähnt wird, spricht das Lunyu vom Opfer und vom Ritual. Beten im eigentlichen Sinne kann der Mensch jedoch nur zum Himmel.